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Es war einmal vor langer langer Zeit, wir besuchten erst acht Monate
die neue Schule, da fuhr die HG57 nach München, natürlich mit
ihrem Klassenlehrer Herrn Kornmann und Frau Flügel.
Mit dem Zug ging´s in aller Frühe von Dülmen über
Essen und dann direkt im Intercity in die bayerische Landeshauptstadt.
Unterschiedliche Reaktionen rief unsere allgemeine Heiterkeit und der damit
einhergehende Geräuschpegel, nicht zuletzt wegen des mitgebrachten
"Ghettoblasters", schon im Zug hervor. Auf der einen Seite war da der aufgebrachte
Opa, der sich lautstark, offensichtlich über uns, bei seiner Frau
beschwerte, mit dem Ziel, uns auf diese indirekte Weise zur Ruhe anzuleiten.
Ganz im Gegenteil, den größten Spaß bereitete er uns mit
seinem plötzlichen Ausraster, bei dem er das Objekt des Anstoßes
fast an sich riß. Auf der anderen Seite wurden wir von einem Kegelclub
weiblicher Endvierziger reichlich mit Sekt und Lakritz verwöhnt, die
Damen hatten das Zeug gleich kiloweise parat.
Untergebracht waren wir im Jugendgästehaus "Haus International"
an der Elisabethstraße. Während der Olympiade diente es als
Sportlerherberge, so konnten wir uns dann auch den gefängnisartigen
Aufbau und die Tatsache, daß die Fenster der Zimmer nicht zu öffnen
waren erklären. Waren die Zimmer auch etwas eng, das Essen mehr als
bescheiden, so hatte das Haus aber sogar eine Schwimmhalle und eine hauseigene
Disko.
Wie das so ist auf Klassenfahrten, hatten wir fast immer volles Programm.
Teilweise hatten wir gar die Möglichkeit, zu wählen. Während
am Samstagnachmittag eine Gruppe mit Herrn Kornmann das Spiel Borussia
Dortmund gegen 1860 München miterlebte, war die andere Gruppe mit
Frau Flügel in München-City unterwegs, um sich dann im Hofbräuhaus
ein Maß Bier zu gönnen. Doch das war gar nicht so einfach, denn
der Kellner verlangte den Nachweiß über die Vollendung des 18.
Lebensjahres. Da wir damals aber noch nicht 18 waren, mußten wir
uns erst in den Herrschaftsbereich eines anderen Kellners begeben, der
uns dann unser ersehntes Maß Bier gewährte. Nach diesem Maß,
immerhin ein Liter, begann Frau Flügel zufrieden zu grinsen und wurde
noch gesprächiger.
Kann sich jemand etwas unter "Radlführung" vorstellen? Wir jetzt
schon, denn wir erkundeten München mit dem Fahrrad. Bei eisigem Wind
fuhren wir auf geliehenen Fahrrädern über zwei Stunden von Sehenswürdigkeit
zu Sehenswürdigkeit, angetrieben von einer allzu sportlichen Fremdenführerin,
so daß Herr Kornmann vom rechten Weg abkam. Er ging verloren. Um
ihn wiederzufinden, mußten einige von uns umkehren, ihn suchen und
auf den richtigen Weg geleiten.
Um den besonderen Schwerpunkt unserer Schulform nicht aus den Augen
zu verlieren, besuchten wir die Münchner Börse und die Markthallen.
Durch eine überdimensionale Glasscheibe betrachteten wir das Treiben
auf dem Börsenparkett: Zehn Börsianer standen inmitten von Computern
und Anzeigetafeln. Man erklärte uns, heute liefe alles elektronisch
ab, der Präsenzhandel habe an Bedeutung verloren.
Die Markthallen durchquerten wir nach langer Nacht, mit wenig Schlaf
versteht sich, in aller Herrgottsfrühe. Nur im Laufschritt konnten
wir der Führung durch die endlosen Gänge und Hallen voller Obst,
Gemüse und Blumen folgen.
Wir stillten unseren Wissensdurst im Deutschen Museum und befriedigten
unser Bedürfnis nach Muße und Erholung im Englischen Garten.
Uns gefiel auch der Besuch der Bavaria-Filmstudios. Auf dieser Reise in
die Welt des Films begegneten wir so manch bekanntem Geschöpf, sahen
uns Originalkulissen und -drehorte an, stellten fest, daß so manches
Raumschiff eigentlich nur aus Alufolie und Gardinenstangen besteht und
wurden sogar selbst zu Akteuren.
Obwohl wir meist mit der Hausdisko vorlieb nehmen mußten, da
man in München 21 sein muß, um überhaupt irgendwo hereingelassen
zu werden, gelang es uns hier und da in einen Pub zu schlüpfen oder
eine Studentenparty ausfindig zu machen.
Auch wenn wir sicherlich lieber ins sonnige Spanien gefahren wären,
statt uns beim Fahrradfahren die Finger abzufrieren, war die Klassenfahrt
nach München sicher auch gelungen, getreu dem Motto "Der Weg ist das
Ziel", denn wir hatten viel Spaß miteinander und haben uns auf der
Fahrt erst so richtig kennengelernt.